Samaria Schlucht

Nach meiner Brustkrebsdiagnose, der anschließenden OP und den darauffolgenden Bestrahlungen zurzeit von Covid habe ich eines Tages den Entschluss gefasst, bei meinem nächsten Kretaaufenthalt die Samaria Schlucht mit Andi zu durchwandern.

Vorbereitungen: Ich baute mir eine gute Kondition bei Wanderungen und am Crosstrainer (3x Woche 45 Minuten) zu Hause auf. Gutes Equipment ist ein "muss", d.h. gute Wanderschuhe und Laufstöcke.

Meine Sorge: Die Temperaturen dürfen nicht zu hoch sein, um einen MS Schub zu forcieren. Wenn man nicht trittsicher ist und Koordinationsprobleme in der Motorik hat, ist die Samaria Schlucht ein "No Go" für MS Kranke!

Ablauf: Man fährt bis zum Beginn der Samaria Schlucht; dazu benötigt man einen Zubringer, der einen von Chora Skafion abholt. Einmal am Eingang der Samaria Schlucht angekommen, muss man die Schlucht wandern. Es gibt kein Zurück. Das Ziel ist das griechische Dorf Agia Roumeli, welches keine Straßenverbindung hat. Nur eine Fähre fährt morgens und um 17:30 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt muss man auch die Fähre erreicht haben. Ansonsten muss man dort übernachten. Das Gleiche gilt, wenn man verletzt ist und mit der Samaria Ambulanz "dem Muli" abtransportiert wird. Das hört sich übertrieben an, aber täglich verletzen sich dort Leute wegen falschem Schuhwerk oder falscher Selbsteinschätzung hinsichtlich ihrer Kondition. Wenn man nicht verletzt ist, wird man auch nicht mitgenommen. Man muss bis zum Ende laufen.

Endlich war es so weit. Ein mega Erlebnis wartete auf uns. Wir starteten auf 1250 Höhenmeter und es ging gnadenlos bergab. Wir hatten uns vorgenommen, dass wir uns nicht durch andere unter Druck setzen lassen, um unser eigenes Tempo zu gehen. Um 8.30 Uhr starteten wir endlich. Die Wetterbedingungen kamen einer MS Kranken entgegen. Es war nicht allzu warm. Etwa 22 Grad Höchsttemperatur und es sollte noch später am Eisernen Tor regnen. Die ersten 4 km sind gnadenlos steil und ohne Laufstöcke kaum zu bewältigen. Hierzu Dank an Tante Renate, die mir diese Stöcke wärmstens empfohlen hat. Vom Parkplatz haben wir zunächst den Ausblick auf den Gingilos, der mit seiner 1000 Meter hohen Felswand, imposant hervorragt. Bei den ersten 6 km wird er unser ständiger Beleiter sein.

In den ersten 4 km bestand der Weg, wie auch in den letzten 5 km aus Geröll und Stein. Die guten Wanderschuhe machten sich schon jetzt positiv bemerkbar. Die ersten Wanderer in Turnschuhen mussten bereis nach wenigen km wegen Verletzungen abbrechen. Wir gingen unser Tempo weiter. Mit meinen Wanderstöcken fühlte ich mich völlig sicher. Übrigens braucht man nicht für ausreichend Trinkwasser zu sorgen, weil man alle paar km seine Flache mit frischem kalten Samaria Wasser auffüllen konnte.

Wir ließen die ersten Rastplätze links liegen. Unsere erste 10-minütige Pause machen wir nach etwa 4 km an der Bruchstein Kapelle Agios Nikolaos. Hier bewunderten wir die alten Zypressen. Die Kapelle steht an dieser Stelle seit dem 6. Jahrhundert vor Christus und war früher ein antikes Apollo-Heiligtum.

Von der Kapelle ging es nach einem kurzen Gegenanstieg hinab nach Samaria. Dieser Ort, nach dem der National Park auch benannt ist, war bis 1962 bewohnt. Dort machten wir eine längere Pause.

Bisher lief wirklich alles planmäßig, sodass wir auch die Gegend bewundern konnten. Nach etwa 20 Minuten ging es weiter. Von nun ab ohne Pause. Das große Ziel war die Eiserne Pforte, wo die Schlucht sich auf  3 Meter verengt. Zunächst mussten wir ein etwas längeren Wiederanstieg bewältigen. Andi musste mich erstmalig nicht daran erinnern, dass ich trinken muss. Mir war langsam die Anstrengung anzumerken. Die Wege wurden nun wieder steinig und felsig, dass ich mich glücklich schätze, meine Stöcke dabei zu haben. Die Verletzungen der Mitwanderer häuften sich. Das war mir eine Warnung. Ich konzentrierte mich weiterhin sehr stark, auch beim Überqueren von Bächen.

Es begann an zu regnen, was ich einerseits als willkommene Abkühlung begrüßt habe, aber andererseits musste ich mich nun noch mehr konzentrieren, da die Steine glitschig wurden. Nach etwa 10 km sahen wir endlich das Eiserne Tor. Was ein paar Französinnen dazu animierte, zu jubeln. Überhaupt war diese französische Gruppe cool und hilfsbereit.

So sehr wir uns auch freuten, das Eiserne Tor erreicht zu haben, begann für mich jetzt der härteste Teil der Wanderung. Meine Kräfte ließen nach, die Steine waren glatt und der Weg bestand bis Agia Roumeli aus Geröll, Steinen und Bachüberquerungen. Ich versuchte mich zu konzentrieren, schließlich war ich am Ende angelangt. In Agia Roumeli packte mich wieder der Stolz und ich schlug das Angebot des Shuttles bis zur Fähre aus. Die letzten 3 km wollte ich jetzt auch noch gehen. Unterwegs kamen wir noch, was Andi ziemlich bewegte, an einem Denkmal kretischer Widerstandskämpfer vorbei, die den Nazis gestrotzt haben und exikutiert wurden. Bemerkenswert war, dass dies Denkmal von den Dorfbewohnern gepflegt wurde.

Nach den letzten km wurden wir schließlich durch den Anblick auf das Libysche Meer belohnt. Die gesamte Wanderung haben wir in etwa 5 Stunden 30 Minuten absolviert. Mein Fitbit Tracker kam auf eine Gesamtstrecke von 19,25 km. Was den Geröllwegen geschuldet war.

Die Strapazen haben sich gelohnt. Diese Wanderung, die mich an meine Grenzen führte, werde ich nie vergessen. Trotz MS und meiner Krebserkrankung habe ich es geschafft. Ich konnte sogar während meiner Wanderung bis zum Eisernen Tor meinen Weg genießen. Stolz bin ich, das Andi an meiner Seite war und mir immer Mut gespendet hat. Jetzt ging es  mit der Fähre nach Chora Skafion. Wo wir dann schließlich vom Bus abgeholt wurden und ins Hotel fahren konnten.

Heute war Schonung angesagt. Wir machten nur einen leichten Strandspaziergang von 8 km nach Georgioupolis. Morgen bekommen wir unser Mietauto und werden dann spontan entscheiden, was wir unternehmen wollen. Bis bald Eure Ulla.